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 Barbara Stelzl-Marx |
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1.000 Tonnen Erbsen für Wien
Die Versorgungslage der Wiener Bevölkerung war zu Kriegsende katastrophal. Staatskanzler Renner bat die Sowjets um Hilfe. Stalin ließ am
1. Mai 1945 an die hungernden Wiener 1.000 Tonnen Erbsen verteilen.
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„Maispende“ sichert die Versorgung
„Die Rote Armee befreit, die Rote Armee hilft!“ thematisiert ein Plakat mit einem lächelnden sowjetischen Soldaten, der vor dem stilisierten Wiener Stephansdom eine rekonstruierte Donaubrücke hochhebt, die sowjetische Wirtschaftshilfe im Nachkriegsösterreich. Neben der Instandsetzung von Brücken und Verkehrswegen oder der im Wahlkampf 1945 gewährten Millionenspende für die Wiener Staatsoper stellte die sowjetische Besatzungsmacht der hungernden Bevölkerung in zwei großen Hilfsaktionen auch Lebensmittel zur Verfügung:
Sowohl die „Maispende“ oder „Stalin-Spende“ zum 1. Mai 1945 als auch die Lebensmittellieferungen, die über Befehl Stalins am 23. Mai 1945 in Auftrag gegeben wurden und die Versorgung Wiens vom 1. Juni bis 30. September 1945 sichern sollten, wiesen einen hohen Anteil von Erbsen und Bohnen an den gelieferten Lebensmitteln auf.
So wurde die zum 1. Mai propagandistisch groß herausgestrichene Lebensmittelspende als „Erbsenspende“ sprichwörtlich. Was in der Öffentlichkeit im Zuge des Nicht-Abschlusses des Österreichischen Staatsvertrages 1949 als „Erbsenschulden“ bekannt wurde, bezog sich jedoch nicht auf die „Maispende“, sondern die Lebensmittellieferungen ab Juni 1945.
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Renner: „Uns drohen Hungersnot und Seuchen“
In Anbetracht der katastrophalen Versorgungslage der Bevölkerung Ostösterreichs war Staatskanzler Karl Renner nur ein Weg offen geblieben – die Sowjets um Hilfe zu bitten. In seinem berühmt gewordenen Brief an „sehr verehrten Genossen Stalin“ vom 15. April 1945 dankt er der „siegreichen Roten Armee“ und Stalin persönlich für alle gewährte Hilfe und bittet „im Rate der Großen Österreichs wohlwollend zu gedenken und uns, soweit es die tragischen Umstände gestatten, in Ihren mächtigen Schutz zu nehmen.“
Dann klagt Renner über die katastrophale Versorgungslage des Landes: „Uns drohen im Augenblick Hungersnot und Seuchen, uns droht bei der Auseinandersetzung mit den Nachbarn Gebietsverlust. In unseren steinigen Alpen haben wir schon jetzt zu wenig Ackerland“.
1.000 Tonnen Erbsen für hungernde Wiener
Stalin entschied zu helfen und gab seinen Truppen in Österreich daraufhin den entsprechenden Befehl. Angesichts der „schwierigen Lage in Österreich und insbesondere in Wien“ habe sich das sowjetische Kommando entschlossen, „am 1. Mai an die Bewohner Wiens 7.000 Tonnen Brot, 1.000 Tonnen Erbsen und andere Lebensmittel zu verteilen“, teilte Marschall Fedor Tolbuchin am 27. April 1945 Karl Renner mit.
Renner hatte gerade dem Marschall alle Minister der neu gebildeten Provisorischen Regierung Österreichs vorgestellt und sich für das entgegengebrachte Vertrauen bedankt. Bei dem anschließenden Mittagessen erfuhr er von dieser später im Volksmund auch als „Erbsen“- oder „Maispende“ bezeichneten Lebensmittellieferung.
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Tolbuchin: „Erheblicher Mangel an Lebensmitteln“
Die Lebensmittel wurden aus „erbeuteten Beständen“ der Stadt Wien für die „Versorgung der Bevölkerung“ zur Verfügung gestellt. Tolbuchin hatte bereits am 21. April 1945 den sowjetischen Truppen den diesbezüglichen Beschluss verlautbart und ihn mit dem „erheblichen Mangel an Lebensmitteln und den großen Unregelmäßigkeiten bei der Versorgung der Stadt Wien mit Lebensmitteln sowie auch auf Grund der Unmöglichkeit einer Zulieferung aus den Bezirken des Umlandes“ begründet. Dem Chef des Hinterlandes der Front wurde dabei angeordnet, „die Übergabe [der Lebensmittel] mit 25. April 1945 abzuschließen“.
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„Geschenk der Roten Armee zum 1. Mai“
Dank dieser Lebensmittelspende konnten die Bäckereien zum ersten Mal seit dem Ende der Kampfhandlungen am 13. April 1945 wieder Brot backen. 9.500 Tonnen Getreide, 800 Tonnen Mehl, 300 Tonnen Fleisch, 200 Tonnen Zucker, 200 Tonnen Fett und u.a. 1.000 Tonnen Erbsen hatte das Kommando der Roten Armee aus ihren Beutebeständen „als Geschenk der Roten Armee zum 1. Mai“ übergeben.
Die von allen ihren Vorräten geplünderte Ankerbrot-Fabrik nahm ihren Betrieb wieder auf und arbeitete mit Hochdruck, um den Menschen das dringend benötigte Brot zukommen zu lassen: Pro Familie ein Laib Brot, solange der Vorrat reichte. Allerdings handelte es sich dabei um einen Tropfen auf den heißen Stein und gerade für den sowjetisch besetzten Teil Österreichs drohte weiterhin eine Hungersnot. So musste eine längerfristige Regelung gefunden werden.
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Die Autorin
Mag. Dr. Barbara Stelzl-Marx, Jahrgang 1971, Historikerin. Studium Anglistik/Amerikanistik, Slawistik und Geschichte in Graz, Oxford, Volgograd und an der Stanford Universtiy, CA; stv. Leiterin des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, Graz-Wien-Klagenfurt. Doktorandenstipendiatin der ÖAW, Erwin Schrödinger Post-Doc Stipendiatin des FWF in Moskau. Mitglied des Forschungsprogrammes der European Science Foundation (ESF) „Occupation in Europe: The Impact of National Socialist and Fascist Rule, 1938-1950“.
Forschungsschwerpunkte: Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit im „Dritten Reich“ und in der Sowjetunion; Besatzungszeit in Österreich 1945-55; Repatriierung und Reintegration ehemaliger Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter; sowjetische Propaganda, Lagerkunst und -kultur.
Über 30 Publikationen, darunter: Zwischen Fiktion und Zeitzeugenschaft. Amerikanische und sowjetische Kriegsgefangene im Stalag XVII B Krems-Gneixendorf; (Hg.), Unter den Verschollenen: Erinnerungen des sowjetischen Kriegsgefangenen Dmitrij Cirov an das Stalag XVII B Krems-Gneixendorf. |
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Autorenkontakt
Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung, Schörgelgasse 43, 8010 Graz, Telefon 0316/82 25 00-0.
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